Beim Dunning-Kruger-Effekt schätzen sich Menschen mit geringen Fähigkeiten und Kenntnissen in bestimmten Bereichen häufig überhöht ein. Ihnen fehlt die Gabe der Selbstreflektion.
Definition: Was ist der Dunning-Kruger-Effekt?
Der Dunning-Kruger-Effekt ist ein Phänomen, das besagt, dass Menschen mit geringen Fähigkeiten, Kenntnissen oder Erfahrungen in bestimmten Bereichen häufig über eine überhöhte Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten und Wissenslage verfügen. Einige Forscher führen auch den gegenteiligen Effekt für leistungsstarke Personen an: Ihre Tendenz, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. 1Herbert Gölzner, Petra Meyer (2018): Emotionale Intelligenz in Organisationen. Springer Verlag, S.340.
Der Begriff wurde 1999 vom Psychologie Professoren David Dunning und Justin Kruger entwickelt. In ihrer Studie „Unskilled and unaware of it. How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments“ wird dieses Phänomen beschrieben und die Schieflage zwischen dem subjektiv empfundenen Selbstwertgefühl und dessen realistischer Messung erläutert. In anderen Worten ausgedrückt: Eine Person ist um so selbstbewusster, je inkompetenter sie ist.
Die Grundüberlegung
Die Sozialpsychologen Dunning und Kruger hatten in früheren Studien festgestellt, dass Unwissenheit beispielsweise beim Verstehen von Texten, beim Schachspiel oder beim Autofahren häufig zu mehr Selbstbewusstsein führt als Wissen. An der Cornell University untersuchten sie dieses Phänomen in Experimenten und kamen 1999 zu dem Ergebnis: Weniger kompetente Menschen neigen dazu, sich selbst und andere besser einzuschätzen, wenn sie ihre Fähigkeiten durch Training und Übung verbessern.
Dunning und Kruger wiesen nach, dass bei diesen Menschen schlechte Leistung häufig mit größerer Selbstüberschätzung einhergeht als gute Leistung. Ursache hierfür sei eine neurologische Störung. Dunning erklärte weiter, „wenn man unfähig ist, kann man nicht wissen, dass man unfähig ist”. Die Fähigkeiten, die man zum Geben einer richtigen Antwort benötigt, sind genau die Fähigkeiten, die man zum Wissen benötigt, was eine richtige Antwort ist.
Sokrates brachte bereits vor über 2.000 Jahren zum Ausdruck, dass wahre Weisheit im Bewusstsein des eigenen Nichtwissens liegt, indem er sagt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Die Grundgedanken von Dunning und Kruger sind somit nicht völlig neu.
Der Dunning-Kruger-Effekt und seine Folgen im beruflichen Kontext
Blindheit gegenüber eigenen Fehlern ist ein schwerwiegender Grund, warum der Dunning-Kruger-Effekt im beruflichen Kontext problematisch sein kann. Für Einzelpersonen ist es oft schwer, ihr eigenes wenig vorhandenes Wissen zu erkennen, und deshalb meinen sie, immer noch mehr Wissen zu haben, als sie tatsächlich haben. Dies kann dazu führen, dass sie kritische Fehler und Entscheidungen treffen, die negative Folgen haben können.
Es gibt verschiedene Gründe, warum der Dunning-Kruger-Effekt auftritt. Eine mögliche Ursache ist das fehlende Wissen über ein bestimmtes Fachgebiet. Menschen ohne fundiertes Wissen haben oft Schwierigkeiten, ihre eigene Inkompetenz zu erkennen. Stattdessen neigen sie dazu, ihre begrenzte Erfahrung und ihre oberflächlichen Kenntnisse als ausreichend anzusehen.
Ein weiterer Faktor ist das Fehlen von Metakognition, das heißt dem Wissen darüber, wie man denkt und lernt. Inkompetente Menschen sind oftmals nicht in der Lage, ihre eigenen Denk- und Lernprozesse zu reflektieren und zu überwachen. Dadurch können sie nicht erkennen, dass ihr Wissen oder ihre Fähigkeiten unvollständig oder fehlerhaft sind.
Desweiteren spielt das Phänomen der selektiven Wahrnehmung eine Rolle. Inkompetente Menschen suchen oft gezielt nach Bestätigung für ihre Überzeugungen und ignorieren oder leugnen Informationen, die ihre Inkompetenz aufzeigen könnten. Dies führt dazu, dass sie sich in ihrer Annahme bestärkt fühlen, kompetent zu sein.
Der Dunning-Kruger-Effekt kann zu ineffizienten Arbeitsleistungen führen, da inkompetente Personen zu schnell überfordert sind und gleichzeitig nicht erkennen, dass sie Unterstützung oder zusätzliches Training benötigen.
Zum anderen kann der Effekt zu Konflikten und Spannungen in sozialen Interaktionen – beispielsweise im Team – führen. Inkompetente Menschen neigen dazu, sich in Diskussionen und Debatten übermäßig selbstbewusst zu äußern, während kompetente Menschen möglicherweise eher zögern, um ihre Kompetenz zu überprüfen und ihre Worte sorgfältig abzuwägen.
Bewusstsein für den Dunning-Kruger-Effekt schaffen
Eine Möglichkeit, dem Dunning-Kruger-Effekt in beruflichen Situationen entgegenzuwirken, besteht darin, dem Kollegen bewusst zu machen, dass der Besitz eines bestimmten Wissens nicht gleichbedeutend mit Kompetenz ist. Die Person sollte daher anderen zuhören, wenn Wissen an sie weitergegeben wird, um daraus lernen zu können. Es ist ebenfalls wichtig, jegliche Arten von Feedback anzunehmen und daraus zu lernen, wenn Ihre Fähigkeiten massiv kritisiert werden.
In wichtigen beruflichen Situationen ist es entscheidend, sich zunächst von anderen beraten zu lassen, bevor man eine Entscheidung trifft. Aus einem kumulierten Wissen mehrerer Personen wird es schwieriger, den Dunning-Kruger-Effekt zu ignorieren. Auch in Mitarbeitgesprächen können Führungskräfte eine Bewusstsein bei dem betroffenen Beschäftigten schaffen, damit sie ihre Fähigkeiten richtig einschätzen können.
Unwissenheit kann auch weise sein
Man sollte sich auch bewusst machen, dass Unwissenheit auch weise sein kann und dass es durchaus okay ist, sich einzugestehen, wenn man etwas nicht weiß. Indem man sich bewusst macht, dass man mehr dazu lernen muss, ist es möglich, den Dunning-Kruger-Effekt zu bekämpfen und verschiedene Denkweisen und Ideen zu akzeptieren, anstatt nur seinen eigenen Weg zu verfolgen.
Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt
Ein Beispiel aus dem Berufsleben für den Dunning-Kruger-Effekt ist im Projektmanagement zu beobachten. Nehmen wir an, ein neuer Projektmanager, Herr Müller, wird von seinem Unternehmen beauftragt, ein komplexes IT-Projekt zu leiten. Obwohl Herr Müller über begrenzte Erfahrung im IT-Bereich verfügt, ist er sich sicher, dass er die Aufgabe erfolgreich bewältigen kann. Er ist geradezu überzeugt von seinem Fachwissen und seinen Führungsfähigkeiten.
In den ersten Projektwochen ist Herr Müller voller Elan und gibt Anweisungen an sein Team, ohne jedoch seine eigene mangelnde Fachkenntnis zu erkennen. Er ist fest davon überzeugt, dass er alles im Griff hat und sieht sich selbst als hochkompetenten Projektleiter. Obwohl die Teammitglieder bereits erste Probleme und Schwierigkeiten identifizieren, können sie diese aufgrund des auftretenden Dunning-Kruger-Effekts von Herrn Müller nicht effektiv kommunizieren oder um Unterstützung bitten. Der Mangel an Selbstkritik und übertriebenes Selbstvertrauen macht es Herrn Müller schwer, objektiv zu entscheiden und kann im schlimmsten Fall zu schlechten Ergebnissen oder gar zu einem schlechten Ruf des Unternehmens führen.
Mit der Zeit treten jedoch immer mehr Herausforderungen auf. Herr Müller merkt, dass die Projektziele nicht erreicht werden und das Team mit technischen Problemen zu kämpfen hat. Nach einigen Projektverzögerungen und zunehmenden Fehlern wird er zunehmend frustriert und unsicher. Der Dunning-Kruger-Effekt beginnt zu bröckeln, da Herr Müller schließlich bemerkt, dass er nicht über das erforderliche Fachwissen und die Fähigkeiten verfügt, um das Projekt erfolgreich abzuschließen.
Ein wichtiger Wendepunkt ist erreicht, als Herr Müller endlich den Mut aufbringt, sich mit seinen Teammitgliedern über die Herausforderungen und Probleme auszutauschen. Durch diese Selbstreflexion und den Austausch erkennt er seine eigene mangelnde Expertise und beginnt, geeignete Fachleute hinzuzuziehen und sein eigenes Wissen gezielt zu erweitern.
Fazit
Der Dunning-Kruger-Effekt verdeutlicht, dass Inkompetenz häufig mit Überheblichkeit und Selbstüberschätzung einhergeht. Die Ursachen können auf fehlendes Wissen, mangelnde Metakognition und selektive Wahrnehmung zurückgeführt werden. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, ist kontinuierliches Lernen und Selbstreflexion von großer Bedeutung. Indem man sich seiner eigenen Grenzen bewusst wird und offen für Feedback ist, kann man seine Kompetenz steigern und die negativen Auswirkungen des Dunning-Kruger-Effekts minimieren.
Literatur
- Justin Kruger, David Dunning: Unskilled and unaware of it. How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 77, Nr. 6, 1999, S. 1121–1134.
Einzelnachweise
- 1Herbert Gölzner, Petra Meyer (2018): Emotionale Intelligenz in Organisationen. Springer Verlag, S.340.